Chaotischer Catalysator Stipendien
"Selbstwirksamkeit und Empowerment in Offenen Werkstätten in der Lausitz"
Titel: | Selbstwirksamkeit und Empowerment in Offenen Werkstätten in der Lausitz |
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Untertitel: | |
Hochschule: | Hochschule Merseburg |
Fachbereich: | Soziale Arbeit, Medien, Kultur |
Studiengang: | Angewandte Medien-und Kulturwissenschaft |
Geschrieben von: | Joris Grahl |
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Kurze Zusammenfassung: Selbstwirksamkeit und Empowerment in Makerspaces und FabLabs
Dieser Artikel beinhaltet die Zusammenfassung meiner an der Hochschule Merseburg geschriebenen Masterarbeit im Studienbereich „Angewandte Medien- und Kulturwissenschaft“. Titel der Arbeit lautet „Selbstwirksamkeit und Empowerment in Offenen Werkstätten in der Lausitz“. Sie sieht sich als Ergänzung des Forschungsprojektes „MoFab“ und konnte in dessen Rahmen verfasst werden. Außerdem wurde sie unterstützt durch das Chaotische Catalysator Stipendium des Chaostreff Flensburgs.
Untersucht wurde in dieser Arbeit die Arbeitsweise von Offenen Werkstätten in transformatorischen gesellschaftlichen Prozessen, insbesondere dem Lausitzer Strukturwandel. Hierbei wurden die Bildungsangebote des Projektes „MoFab – Mobile FabLabs in der Lausitz“ im Hinblick auf Empowerment und Selbstwirksamkeit der Teilnehmenden analysiert. Ziel der Forschung war es, Einblicke in den Lernprozess an Drittorten zu erhalten.Aus dieser Forschungsgrundlage werden im Ergebnisteil vier Handlungsempfehlungen fürs Lehren und Lernen an Drittorten wie Makerspaces und Offenen Werkstätten formuliert.
Bildung in und von offenen Prozessen, in denen sich die Zivilgesellschaft ernst und mitgenommen fühlt, kann zu einer Stärkung des demokratischen Sektors in ländlichen Gebieten führen. Es bedarf aber der Annahme, dass Empowerment ein Prozess ist. Gerade in einem Gebiet, das sich so sehr im Wandel befindet wie die Lausitz, gibt es durchaus Verlangen und Notwendigkeiten zu neuen Formen des ökonomischen Handelns und Miteinanders. Einen Ansatz hierfür bietet das Commoning. Als Form des solidarischen Miteinanders werden hier die egoistischen Bedürfnisse ebenso befriedigt wie auch durch Engagement und Weiterentwicklung und Verarbeitung eingefordert. Vorstellbar ist in diesem Rahmen auch eine andere Wertigkeit der lokalen Selbstproduktion, bis hin zu einer Tauschwirtschaft von Kleinstproduzierenden (Heckl 2015: 212). Auch in anderen ökonomischen Überlegungen finden sich aus dieser neuen Tätigkeit mehr gelungene als gegenteilige Beispiele, so die Ökonomin Gisela Notz (2012: 135). Für eine zukunftsgerichtete, ökologische Lösung solle nicht auf staatliche Kontrolle gebaut werden. Nach dieser Ansicht würden regionale Kooperationen sogar besser als institutionalisierte funktionieren. Dabei beruft sich Notz auf Elinor Ostrom, die sich mit dem Prinzip der Commons auseinandergesetzt hat und 2009 als bisher einzige Frau den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften erhielt. Ostrom „warnt davor, auf globale Lösungen (z.B. ein Klimaabkommen) zu warten, konkrete Handlungsmöglichkeiten müssten auf lokaler Ebene erprobt werden“ (ebd.). Diese Chance bieten FabLabs und andere offene Formate in ländlichen Regionen. Deutlich wird in der Untersuchung, dass gerade für weibliche Teilnehmende eine große Chance an diesen Orten gesehen wird. Ihnen werden nicht nur im MINT-Bereich Chancen für berufliche und soziale Aufstiege ermöglicht, sondern bereits Selbsterfahrung und Erprobung von handwerklichen Tätigkeiten, die ihnen vielleicht zu Hause nicht erlaubt sind. In der Hinsicht auf geschlechterdierenziertes Lernen wird aber auch deutlich, dass die weiblichen Teilnehmenden eine andere Herangehensweise an die Workshops aufzeigten. Während viele männliche Teilnehmende mit konkreten Wünschen, Hoffnungen und Zielen in die Workshops kamen, waren die weiblichen Teilnehmenden nicht so sehr auf den Output fixiert und legten eher Wert auf die sozialen Gegebenheiten und das Miteinander. In diesen Bedürfnissen steckt Potenzial für die gesamte Bildung und Vermittlung von Inhalten. Die Konzentration auf das gemeinschaftliche Schaffen und Wertschätzen, anstatt auf mehr Leistung, führt zu einer erfolgreicheren Bewältigung gesellschaftlicher Probleme. Diese Fähigkeiten müssen sowohl auf digitaler Ebene, aber auch als Stärke für organisatorische und entscheidungsfindende Ebene gesehen werden. Dies bedarf gleichwohl Förderung als auch Forderung großer Unternehmen, ist diese Art der Improvisation für eine Wirtschaft, die sich auf ein dezentralisiertes Internet mit Blockchains und Prosumenten aber auch auf eine ökologische Transformation auf lokaler Ebene mit Commons vorbereitet, unerlässlich.
Die Art, wie die Lausitzer Tüfteltour geführt wurde, kann nach dieser Auswertung nur als Engagement einer Gruppe von Early-Adopters in der ländlichen Umgebung gelten. Der Überführung von Open Innovation und Offenen Strukturen in die lokale Bedarfsgemeinschaft fehlt es dem Handlungswillen auf politischer Ebene. Für eine Kreislaufwirtschaft, beziehungsweise ein Umdenken in Richtung Politik der Commons braucht es Aktivismus und aktive, partizipierende Menschen. Diese müssen die Lehren teilen. Die Maker Bewegung ist politisch und aktiv, aber verankert in ehrenamtlichen Strukturen. Durch die Strukturwandelgelder werden jedoch nur zeitlich begrenzte Projekte gefördert, die konstruierte, nicht aus sich selbst gewachsene Räume, wie die untersuchten Workshops, konzipieren. Dies führt, wie Bourdieu schreibt, dazu, dass sich Menschen wiederum aufgrund ihrer sozialen Zugehörigkeit und den Räumen, die ihnen zugeteilt werden, verhalten (Bourdieu 1985: 49). Durch diese konstruierten Räume ergeben sich Abhängigkeiten (sozial, wie auch ökonomisch) und keine organisch gewachsenen Strukturen, die zu Partizipation auf zivilgesellschaftlicher Ebene führen. Unter dem Hauptaugenmerk darauf, dass in dem MoFab-Projekt Partnerschaften für Partizipation aufgebaut werden sollen, um gemeinsam effektiven Outcome zu erzeugen, können die Workshopformate dem Anspruch auf gesellschaftliche Teilhabe nicht gerecht werden. Dies wird auch deutlich, wie Bandura schreibt, dass Sozialreformisten daran glaubten, dass sie die kollektive Anstrengung zu mobilisieren vermögen, die für soziale Veränderungen erforderlich sei (1995: 13). Für Innovationen nötig sind aber resiliente Gefühle der (Selbst-) Effizienz. Dies bedeutet langwierige, aufwändige Projekte mit ungewissen Ergebnissen. Besonders bedeutend sei laut Bandura, dass Innovationen immer auch auf bereits bestehende Präferenzen, soziale Praktiken und damit auf soziale Reaktionen stößen (ebd.). In den für diese Arbeit geführten Interviews wurde diese Sichtweise hinsichtlich Projektarbeit und sozialer Innovationsprozesse deutlich. Beklagt wurde die mangelnde Bereitschaft, Gelder und gut ausgebildete Menschen für die Region zu gewinnen und zu halten. Dies werde durch Ehrenamtliche und somit „billige Arbeitskräfte“ ersetzt. Förderungen für diese Stellen zu bekommen sei in erster Linie durch die begrenzten Kapazitäten erschwert, andererseits durch die Wirrungen der behördlichen Anforderungen, Unterlagen und Förderpraktiken.
Hieraus folgt die Logik, dass Partizipation und langfristiges Engagement in transformatorischen Prozessen, in denen die Menschen sowieso schon in schwierigen sozialen und beruflichen Situationen sind, wenig Zulauf erfährt. Dementsprechend lässt sich schlussendlich nicht mehr die Frage stellen, wie sich ein Strukturwandel von Unten gestalten lässt. Sondern, wie ein Strukturwandel aussehen wird, wenn er nicht von Unten in demokratischen Prozessen mitgetragen wird.
Hintergrund zur Forschung
Untersuchungsgegenstand waren Workshops des Forschungsprojektes MoFab, die in Kooperation mit dem Fabmobil e.V. durchgeführt wurden. MoFab ist ein Projekt des Netzwerkes Offener Werkstätten Brandenburg (NOW BB) und wurde durch die Open Knowledge Foundation Deutschland e.V. (OKF), den AWO Regionalverband Brandenburg Süd e.V. (AWO BB Süd), den Wissenschaftsladen Potsdam e.V. (WiLaP) und die Universität Potsdam, mit dem Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik, insbesondere Prozesse und Systeme (LSWI), forschend begleitet und umgesetzt. Das zweijährige Foschungsvorhaben wurde durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert und war Teil des Wartung, Instandhaltung und Reparatur (WI+R) Bündnisses.
Die Empirie dieser Forschungsarbeit bezieht sich auf drei Workshops, die mittels teilnehmender Beobachtung begleitet und im Anschluss durch vier Interviews mit Teilnehmenden ergänzt wurden. Im Zusammenhang zwischen Selbstwirksamkeit und Digital Literacy werden die individuellen Lernerfahrungen erforscht. Hieraus entstehen vier ineinandergreifende Thesen zum kritischen Umgang mit Technologie und Digitalisierung.
Mit dem Fokus auf Reparaturkultur und Strukturwandel hatte das Projekt zum Ziel, mittels aktivierender Formate und direkte Ansprachen die Bedürfnisse der Menschen in der Region aufzudecken und diese zu einer technologischen Partizipation mittels moderner, digitaler Fertigungsmethoden zu ermächtigen. Hierunter gefasst wird der Anspruch an Wissen und Technologie, dass Selbstermächtigung frei von staatlichen und wirtschaftlichen Ansätzen erfahrbar wird. Grundlage bildet die Idee von offen zugänglicher und gemeinfreier Soft- und Hardware, Informationsfreiheit und dem Legitimitätsanspruch der freien, unabhängigen Entfaltbarkeit Aller mittels offener Technologienutzung.
Gemeinsam mit interessierten Bürger:innen sollten konkrete technische Lösungen für den Alltag der regionalen Akteur:innen entwickelt und in den mobilen FabLabs umgesetzt werden. Die FabLabs stellten als (offene) Werkstätten dabei Werkzeuge und Fachexpertise zur Verfügung. Die zu Projektbeginn ermittelten Bedarfe, Problemfelder und Ideen wurden im weiteren Verlauf an die Community der partizipierenden zivilgesellschaftlichen Akteur:innen herangetragen und durch diese Akteur:innen hin zu einer Open Hardware Projektidee gebracht (Verbund MoFab 2021: 20). In den durch die Praxispartner:innen durchgeführten Workshops stand im Fokus, diese für die lokalen Problemlagen zu sensibilisieren. Wissen und Werte wurden durch die praxisorientierten Anwendungsbeispiele von Innovator:innen in die Bürgerschaft getragen (Inside-Out), damit diese eine „inspirierende Symbiose entwickeln“ (Verbund MoFab 2021: 21).
Untersuchung und Vorgehensweise
Die Masterarbeit ist in zwei Untersuchungsabschnitte eingeteilt. Inhalt der Forschung waren drei Workshops aus der Workshopreihe „Lausitzer Tüfteltour“ unter den Titeln Neue Alte Technik und Maximal Regional. Die Lausitzer Tüfteltour fand im Zeitraum vom 05.03.2022 bis 03.07.2022 statt und wurde vom MoFab Forschungsprojekt in Kooperation mit dem Fabmobil e.V. aus Dresden durchgeführt. Aus dieser Tour wurden drei Termine herangezogen und mittels offener-teilnehmender Beobachtung begleitet. Im Anschluss wurden fünf Teilnehmende aus den Workshops ausgewählt, die im Nachhinein für eine etwa 45-minütige qualitative Befragung bereitstanden.
Die Auswertung der Forschungsergebnisse basiert auf dem Konzept der Grounded Theory, das von den amerikanischen Soziologen Barney G. Glaser und Anselm L. Strauss (1967) entwickelt wurde. Die vorliegenden Daten aus den Interviews und der Beobachtung wurden induktiv analysiert und mittels generativ entwickelter Kategorien verglichen. Aus diesen Ergebnissen werden im folgenden vier Handlungsempfehlungen für Bildungsangebote an Drittorten vorgestellt.
Ergebnisse
Kreativität und offene Ergebnisse bedürfen eines Grundwissens und Sicherheit mit sich selbst, um seine eigenen Möglichkeiten zu entdecken: „Wer Erfahrung hat, immer mehr Kompetenz erlangt und die eigene Komfortzone im Griff hat, kann sich trauen, sie zu verlassen und ‚den einen Schritt mehr‘ zu tun.“ (Pépin 2017: 120) Scheitern und sich trauen zu scheitern müssen dementsprechend auch erst einmal gelernt werden. Herleiten lässt sich das am besten mit Blick auf Platons Höhlengleichnis und der Lebensrealität der Jugendlichen in Forst: „Die Position, die jemand im sozialen Raum einnimmt, das heißt in der Distributionsstruktur der verschiedenen Kapitalsorten, die auch Waren sind, bestimmt auch seine Vorstellungen von diesem Raum und die Positionen, die er in den Kämpfen um dessen Erhalt oder Veränderung bezieht.“ (Bourdieu 1985: 26)
Die Themen der Jugendlichen waren bestimmt von sozialem Misserfolg und Ausgrenzung; im Gegensatz zu den Themen und Projekten der Großstädter:innen in Cottbus. Um diese Menschen nun durch technische Bildung einzubinden und Selbstwirksamkeit erfahren zu lassen, müssen ihre alltäglichen Bedürfnisse erkannt und mit ihnen gemeinsam definiert werden. Für diese Lernprozesse sind sowohl Kommunikations- und Sozialkompetenzen erforderlich, wie auch fachliches Wissen und Kompetenzen in den angewandten Methoden oder Vorwissen im Umgang mit den Maschinen. Um dies zu erforschen müssen Empowerment und Selbstwirksamkeit aber eher als Prozess denn als messbare Instanz gesehen werden.
Handlungsempfehlung: Zu Beginn des offenen Bildungsansatzes müssen Kreativität und Bewusstsein für das eigene Selbst, auch durch Scheitern ohne Konsequenzen, gelernt werden.
Oftmals hinderlich für diese These ist, dass dieser Prozess aufgrund von Outputorientierung und -fixierung nicht wahrgenommen wird. Evaluation findet, auch bei Ergebnisoffenheit, aufgrund von messbaren Ergebnissen statt. Gerade hier könnte der Clou für eine zukünftige Ausrichtung von Bildungsformaten liegen.
Die in den Workshops vermittelte Kompetenz sollte nicht nur die digital Literacy oder die technische Befähigung umfassen. Es geht darum, Hemmschwellen zu überwinden und die Teilnehmenden zu befähigen, Selbstvertrauen und -wirksamkeit zu entwickeln. Denn, so sagt eine der Teilnehmenden, ist die Black Box Technik noch immer schwer zu fassen. Sie zeigte sich zwar erstaunt, wie einfach Einstieg in die Technik gelinge, dennoch betonte sie, wie sich im Workshop gerade „durch die Vielfalt der Möglichkeiten und verschiedenen Programme Respekt und eine Hemmschwelle aufgebaut“ habe.
Erst bei längerfristiger Begleitung und gemeinsamer Arbeit hilft diese Art der Wissensvermittlung bei der Selbstwirksamkeit, die durch Improvisieren und das oben schon genannte Scheitern entstehen. Improvisieren kann als rationales Abweichen von automatisierten Abläufen und angelernten Gewohnheiten gesehen werden (Bertram & Rüsenberg 2021: 71). Bei einem Teilnehmenden war zu hören, er kam „her und probierte Dinge einfach mal aus. Es hatte etwas motivierendes, dass man sich nicht als blöd dargestellt fühlte. Dadurch wurden Hemmschwellen für technische Anwendungen und Erlernen derer abgebaut. Man hat die Angst verloren etwas kaputt zu machen.“ Hierdurch werden Störungen und Probleme, sowie technische Herausforderungen nicht mehr als eine Bedrohung gesehen, sondern als Chance, sich hieraus selbst zu entwickeln und gestärkt aus der Erfahrung herauszugehen (Bertram & Rüsenberg 2021: 82f.).
Handlungsempfehlung: Statt Fachwissen müssen zukünftig Problemlösungen erlernt werden.
Diese Art der Problemlösung und digitale Resilienz sind auch wirtschaftlich von Interesse. Laut einem Interview mit dem Bildungsexperten Andreas Schleicht müssten die Anleitenden die Kinder „für Arbeit vorbereiten, die wir heute noch nicht kennen, mit Technologien umzugehen, die noch nicht erfunden worden sind, auf soziale Probleme zuzugehen, die wir heute noch nicht erfassen können“ (Welty 2022: o.S.). Diese „aktive Verantwortung für Ihr Lernen“ (ebd.) be- kommen die Teilnehmenden in den erforschten Formaten mitgegeben.
Im Vergleich der drei Workshops wird ersichtlich, dass die beiden Workshopansätze die Selbstwirksamkeit der Teilnehmenden nicht gleichsam stimulierten. Konnten die Teilnehmenden beim problembasierten Ansatz ihre Anliegen formulieren und ihre Ideen mittels Technik umsetzen, stagnierten die Teilnehmenden bei Vorgabe der Materialien und ihre Kreativität blieb eingeschränkt. Der Fokus lag auf den eingesetzten und mitgebrachten Technologien. Bei den Teilnehmenden war Überforderung erkennbar. Letztendlich sahen sie mit wenigen bis keinen Vorkenntnissen Werkzeuge als Mittel zum Zweck, nicht als Hauptaspekt der Teilnahme. Ebenso lag der Fokus häufig eher auf dem sozialen Aspekt und dem Zusammenspiel der Gruppe.
Handlungsempfehlung: Erfolg in Bildungsprozessen ist nicht allein am Output messbar, sondern sollte mehr soziale Faktoren berücksichtigen.
Die größten Ergebnisse für Empowerment und Selbstwirksamkeit wurden bei den Teilnehmenden erzielt, für die die soziale Komponente eine große Rolle spielte, sowie den Workshop als Multiplikator:innen besuchten. Für Erfolg und intrinsische Motivation müssen drei Grundbedürfnisse erfüllt werden: Kompetenz, Autonomie und Zugehörigkeit (Weck, 13.09.2021).
Im Gespräch konnte ein Teilnehmer mit Informatikhintergrund seinen persönlichen Umgang mit Jugendlichen in Workshops selbst hinterfragen. Bei den befragten Sozialarbeiterinnen lag der Fokus des Empowerments aufgrund ihrer beruflchen Beschäftigung auf der Stärkung ihrer Mitarbeitenden und der teilnehmenden jungen Frauen in Cottbus. Das Hauptaugenmerk der Befragten lag nicht darauf, eigenes Empowerment zu erfahren, sondern als Multiplikator:innen auf die Umsetzung des Workshops zu achten. Sie beobachteten den sozialen Umgang und versuchten, sich Methoden und Know-How für eigene Angebote anzueignen. Bis auf eine befragte Teilnehmerin kannten alle Befragten das Konzept der offenen Werkstätten und die Ausstattung des Fabmobils.
Durch „andere Möglichkeiten, die man auch hat“ konnte der Blick erweitert und Netzwerke geknüpft werden. Die Motivation der sozialen Interaktion beeinflusste den positiven Effekt der Workshops. Empowerment wurde durch eine Auseinandersetzung von Problemen und deren Lösungen und nicht vordergründig durch Technik und den Umgang mit Maschinen erfahren.
Wenngleich auf der Ebene der Multiplikator:innen Inputs und Erfahrungswerte erreicht wurden, ist die technische Bildung und das Empowerment mit technischen Fertigungsmethoden anders zu bewerten. Die vorliegenden Ergebnisse und Prototypen waren zumeist keine innovativen Objekte. Für eine spezifische Auseinandersetzung und ein Lehren mit Technik bedarf es längerfristig angelegter Schulungen und Bildungsangebote. Durch die Kooperation mit Schulen kann das Interesse bei Schüler:innen geweckt werden und Fähigkeiten durch den Kontakt mit den Themengebieten und der zur Verfügung stehenden Technik erprobt werden. Leider fehlt es jedoch an langfristigen Angeboten und Förderungen. Sowohl bei Schülern, als auch mit besonderem Blick auf Geschlechterverhältnisse, gerade bei den Schüler:innen. Diesen Ansatz können diese Kompaktworkshops an einem Wochenende nicht bieten.
Für eine progressive Herangehensweise an transformatorische Prozesse und Veränderungen in der Berufswelt sind ebenso Veränderungen und Fortbildungen für bereits im Berufsleben stehende Personen wichtig. Hierzu zählen „die Geduld oder die Fähigkeit, mit Maschinen umzugehen, eine Fertigkeit, auch wenn es nicht diejenige ist, ein Werkzeug zu handhaben, oder die Fähigkeit, mehr Krafteinheiten einzusetzen als der Nachbar. Die Technik, Interaktion zwischen Menschen zu managen, ist eine Fertigkeit, auch wenn es sich nicht um die Technik eines bestimmten Handwerks handelt“ (Wendling 2022: 144).
Die Vermischung von Kompetenzen in verschiedenen Anwendungsgebieten ist in der Vermittlung wichtiger als ausgeprägtes Fachwissen in einzelnen Programmen und Fachdisziplinen.
Handlungsempfehlung: Durch interdisziplinäre Kompetenzen und einer Begegnung auf Augenhöhe lassen sich erfolgreiche Bildungsprozesse schaffen.
Mit dem Selbstbild keine jeweiligen Fachexperten zu sein, stellen sich die Workshopleitenden nicht belehrend über die Teilnehmenden, sondern gehen mit diesen gemeinsam auf Entdeckungsreise und nehmen eher die Rolle von Mentoren ein, die mit Ideen und Ratschlägen zur Seite stehen und motivieren. So schreibt es auch Mitchel Resnick: „Wir versuchen erwachsene Mentoren dazu zu bringen, sich als lebenslang Lernende zu betrachten – nicht nur für sich selbst, sondern um Jugendlichen ein Vorbild zu sein. Durch Beobachtung erwachsener Mentoren in Lernprozessen können Jugendliche sich Strategien für ihr eigenes Lernen abgucken. Zu häufig versuchen Erwachsene das, was sie nicht wissen, zu verbergen.“ (Resnick 2020: 148) Für diese Art des Lernens ist eine andere Sichtweise der Lehrenden und das Selbstverständnis von interdisziplinären Teams vorteilhaft.
Drittorte müssen die Lebensrealitäten der Menschen erkennen und ihre „egoistischen Eingebungen“ nutzen, um aus diesen gesellschaftliche Lösungen zu entwickeln. In Weißwasser führte die Abgelegenheit des Ortes dazu, dass die Menschen das Fabmobil nur mit direktem Interesse besuchten. Die Wahl des Marktplatzes in Forst hat hingegen viele Unbeteiligte zu einem Reinschnuppern bewegt. Es entsteht durch den Aufbau und die Attraktion des „unbekannten“ und „aufregenden“ Fabmobil-Busses die Gefahr eines Eventcharakters. Diesen Effekt haben auch Zirkusse, die in unregelmäßigen Abständen in Kleinstädten verweilen. Bemerkbar war dies besonders im Stadt-Land-Gefälle und dem unterschiedlichen Charakter der Workshops. Dies soll bedeuten, dass durch die Andersartigkeit, durch das Aufregende und Neue nur eine Vorführung für die Partizipient:innen entsteht. Es wird gestaunt und erlebt, aber es gibt keine längerfristigen Erfolge zu verzeichnen. Es bleibt ein Erlebnis und ein Tag/ Wochenende, von dem in Freundes- und Familienkreisen erzählt wird. Das Erlernen und Erlangen von Wissen und Kenntnissen gerät in den Hintergrund. Das Konzept der Offenen Werkstätten als Lernort wurde von vielen Interessierten nicht weiter hinterfragt und es konnten auch keine langfristigen Partizipient:innen gewonnen werden. In Weißwasser konnten weniger Menschen erreicht werden, aber diese bekamen die Möglichkeit, Multiplikator:innen kennenlernen und sich auch weiterhin in Projekten zu engagieren und weitere Bildungsangebote zu besuchen. Durch solche Workshops kann ein Schritt in diese Richtung gemacht werden. An Orten, an denen es keine Strukturen und Multiplikator:innen gibt, kann durch die Workshops keine weiterführende Teilhabe beziehungsweise gesellschaftliches Engagement zu erwarten sein.
Es zeigt sich, dass sich diejenigen, die ohne technische Vorkenntnisse in die Workshops kamen, sich innerhalb der Vielfältigkeit der Möglichkeiten verloren haben und Respekt aufbauten, da die Aneignung und das Verständnis der verschiedenen Codice zeitintensiv ist. Auch, wenn die Workshops nicht zu Befähigung an den Maschinen selbst geführt haben, kennen die Teilnehmenden nun die Orte und wissen, in welchem Rahmen sich welche Art von Projekt umsetzen lässt.
Innerhalb von Makerspaces und Offenen Werkstätten entsteht im Rahmen der Workshops nicht nur eine Aufwertung von Produktion, sondern auch von Produkten und des eigenen Umfeldes, wenn die Teilnehmenden trotz der geringen Innovationslevel zufrieden auf ihre Ergebnisse blicken. Mark Hatch, der Autor des Maker Manifestos, schreibt: „Participating in the Maker Movement is a personal journey. Each will look dierent. No two makers are exactly the same. No two paths will be the same. But you will change. You will begin to see the world through the eyes of someone who participates in creating“ (Hatch 2013: 31). Die Teilnehmenden äußerten, dass sich der Blick auf Gegenstände und auf Herstellung schon durch die Wochenendworkshops änderte. Diese Erfahrungen der Teilnehmenden sind deckungsgleich mit der Aussage von Mark Hatch: „You will wonder how someone was able to design this or that, and you will begin to appreciate local artists, designers, architects, and artisanship in your community. You will wonder where something was produced and who made it — you will look for the story behind the artisanship. You will ask about local talent and local sources for things“ (ebd.: 31). Dies ist nicht nur grundlegend für eine ökologische Transformation in Zeiten des Klimawandels, sondern auch eine Chance für Regionen mit ökonomischen und strukturellen Transformationen.
Mit der Über-, beziehungsweise Rückführung der Menschen weg von Spezialisierungen entwickeln die Teilnehmer:innen nicht nur ein Bewusstsein, sondern auch ein Selbstbewusstsein; Dinge zu öffnen, zu hinterfragen und sich aktiv einzubringen. So kann, wie auch die Befragten immer wieder betonen, ein Weg zu einer aktiven Rolle in der Gesellschaft gefunden werden, denn „Reparatur, die verstärkt auch als lokale und kollaborative Praktik verstanden wird und ihr Zuhause in Reparier Cafés, Makerspaces oder FabLabs findet, kann darüber hinaus auch eine soziale Vernetzung rund um technisch-ökologische Aspekte der Produktnutzung stimulieren. Sie wird daher auch das gemeinsame Nutzen und Teilen von Dingen befördern“ (Bertling & Leggewie 2016: 275.). Letztlich entstünde laut Bertling und Leggewie eine kollektive Mündigkeit der Bürger:innen, die diese zu aktiven Prosumenten macht (vgl. Kneuer 2017: 43-52).
Quellen:
Bertling, Jürgen/Leggewie, Claus (2016): Die Reparaturgesellschaft. Ein Beitrag zur großen Transformation? In: Baier, Andrea/Hansing, Tom/ Müller, Christia/Werner, Karin (Hg.): Die Welt reparieren. Open Source und Selbermachen als postkapitalistische Praxis. S. 275-286. Bielefeld: transcript.
Bourdieu, Pierre (1985): Praktische Vernunft. Zur Theorie des Handelns. Frankfurt am Main: suhrkamp.
Hatch, Mark (2013): The Maker Manifesto. Rules for Innovation in the new world of crafters, hackers and tinkerers. McGraw-Hill Education: eBook.
Heckl, Wolfgang M. (2015): Die Kultur der Reparatur. München: Goldmann.
Kneuer, Marianne (2017). Politische Kommunikation und digitale Medien in der Demokratie. In: Gabski, Harald/Oberle, Monika/Staufer, Walter (Hg.): Medienkompetenz: Herausforderungen für Politik, politische Bil- dung und Medienbildung. S. 43-52. Bonn: bpb.
Notz, Gisela (2012): Theorien alternativen Wirtschaftens. Fenster in eine andere Welt. 2. erweiterte Auflage. Stuttgart: Schmetterling Verlag.
Pépin, Charles (2017): Die Schönheit des Scheiterns. Kleine Philosophie der Niederlage. München: Carl Hanser.
Resnick, Mitchel (2020): Lifelong Kindergarten. Warum eine Lernkultur im digitalen Zeitalter so wichtig ist. Berlin: Bananenblau.
Verbund MoFab (2021): Vorhaben des Verbundprojekts. "WIR! - WI+R - Mobile Fab Labs: TP 1-1.3” Mobile Fab Labs: WI+R Verbundswerkstatt Lausitz.
Weck, Andreas (13. September 2021): Motivation: Was unser Potenzial wirklich entfesselt - laut Forschung. Verfügbar unter: https://t3n.de/ news/motivation-potenzial-wirklich-entfesselt-forschung-1404193/. Abgerufen am 25.02.2023.
Wendling, Amy E. (2022): Karl Marx über Technologie und Entfremdung. Berlin: Dietz.