Behind the scenes: Chaos macht möglich – Mit einer Kunstinstallation zur GPN23
In diesem Blog-Artikel schauen wir hinter die Kulissen unseres Stipendiums. In unserer Arbeit ist die größte Stärke gleichzeitig auch die größte Herausforderung. Da wir Arbeiten und Themen aus allen Fachbereichen fördern, wissen wir nie was uns erwartet, wer sich bei uns bewirbt und was für Themen und Methodiken wir im aktuellen Zyklus fördern werden. Manchmal sind es sehr technische Themen, wie Wolken-Vorhersage für Solarparks. Es können aber auch um theoretische Fragen nach der Mündigkeit bei der Einwilligung zur Datenverarbeitung gehen. Oder es werden praktische Einblicke in Offene Werkstätten in der Lausitz untersucht. All das macht unsere Arbeit großartig spannend und Abwechslungsreich. Jedes neue Stipendium ist wie ein kleines Abenteuer. Kennen wir Menschen die Expertise liefern können? Und in welchem Format könnte man die Arbeitsergebnisse verarbeiten?
So kommen auch immer wieder Formate zu uns, die wir zwar nicht geplant, uns aber überzeugt haben. Im letzten Zyklus was es die Raum-Installation von Katharina Lübeck. Mit ihrer Abschluss-Installation „You and Eye“ wird durch den Einsatz von Technologie Bewusstsein für Stigmatisierung von Menschen mit psychologischen Erkrankungen geschaffen. Ein Thema das überzeugt hat. Und obwohl es auf den ersten Blick abweichend erscheint, wie eine Kunst-Installation in unser Projekt passt, so macht es doch genau das was wir suchen: Es setzt Technologie ein und nutzt diese für gesellschaftlichen Mehrwert. Um die Arbeit selbst soll es an dieser Stelle nicht gehen, dafür könnt ihr bei Katharina selbst vorbeischauen, oder ihre Arbeit im Ganzen in unseren Publikationen lesen. Anstelle dessen wollen wir einen Einblick geben, was es gebraucht hat die Kunst-Installation bei uns auszustellen und wie wir sowas möglich machen.
Mit der Einladung zum Stipendisumstreffen nach Karlsruhe ins Zentrum für Kunst und Medien war für uns direkt klar: Das ist der ideale Raum um die Installation im Rahme der GulaschProgrammierNacht (GPN23) mitzubringen und im Museumsteile zu präsentieren. Nach Absprache mit Katharina, der GPN-Event-Orga und dem ZKM haben wir uns dabei für eine minimale Installationsform entschieden. Statt einer Raum-Installation mit Sound und Lichtsystem, gibt es eine einzelne große LED Wand mit der interaktiven Installation. So schön es auch gewesen wäre die Installation in ihrer vollen Form zu präsentieren, so mussten wir in unserer Planung realistisch bleiben. Die Ressourcen die wir und das Museum für das Event zur Verfügung haben, sind begrenzt.

Transportiert wird alle Technik im ICE mit Handwagen.

Erster LED Bildschirm Tests.
Bis hierhin, hatte noch niemand von unserem Team eine Installation in einem Museum ausgestellt. Aber das sollte uns nicht abhalten. Wir waren daher sehr dankbar, dass Katharina uns den TechRider vorbereitet, und das ZKM die Bereitstellung für uns geprüft hat. Drei Monate waren nun Zeit die Gegebenheiten vor Ort, die Technik und den Aufbau abzustimmen. Hier beginnt eine Reise, durch das was gerne die „Chaos-Community“ genannt wird.
Gemeint ist damit ein loser Zusammenschluss von Orten, befreundeten Vereinen und Event-Besuchenden im Kosmos des Chaos Computer Clubs. Wer schon mal ein Event dieses Kosmos besucht hat, weiß wie offen und chaotisch es einhergeht. Die Event-Orga stellt dabei die Rahmenbedingungen und Infrastruktur und unterschiedliche Gruppen reisen mit Koffern voller Technik an um eigene Projekte, Maschinen, oder Orte auf dem Event selbst umzusetzen. Dabei wird Technik verliehen, geteilt und Ressourcen zusammengetragen.

Bis spät in die Nacht wird gearbeitet.

Die Installation wird eröffnet.
Das stand uns nun bevor, denn die Technik, die wir für die Kunst-Installation benötigten, ist nicht in unserem Besitzt. Da die Kameraaufnahmen live vor Ort und in Echt-Zeit verarbeiten werden müssen, braucht der benötigte Rechner eine enorme Leistung. Und Leistung ist teuer. Insgesamt sprechen wir von einem Rechner, der in dieser Konstellation circa 5.000€ gekostet hätte. In den kommenden Wochen fragen wir uns durch unser Netzwerk, schreiben Gesuche auf Mailing-Listen und müssen feststellen: Einen Rechner mit den Specs wie wir ihn brauchen, den bekommen wir so nicht. Aber einzelne Teile, die können unterschiedliche Menschen uns zur Verfügung stellen. Und so entsteht die risikoreiche Entscheidung, den Rechner auf dem die Installation vor Ort laufen soll, auch erst vor Ort aus bereitgestellten Teilen zusammen zu bauen. Testen? Wer braucht das schon.
Insgesamt drei Personen nehmen für uns ihre Rechner auseinander, bringen benötigte Teile mit und vertrauen auf unsere Fachgerechte Nutzung vor Ort. Das Besondere dabei: Nicht alle kennen uns persönlich, drücken uns aber trotzdem eine 2.700€ Grafikkarte durch eine Übermittlungsperson im fahrenden ICE in die Hand. Es ist diese Mentalität und das Vertrauen der Community das unsere Installation am Ende möglich macht. Vor Ort tun sich trotzdem erst einmal Schwierigkeiten auf. Insgesamt setzt sich unser End-Produkt aus drei Teilen zusammen. Dem Basisrechner mit einer Windows-Installation, einer geforce rtx 5090 und einem starken Netzteil. Die GPU braucht nämlich allein mehr Strom als das eingebaute Netzteil des Basis-Rechners liefern kann.
Die Schraubendreher werden ausgepackt, sich weitere geliehen und dann begonnen die Grafikkarte und das neue Netzteil in den Basis-Rechner einzubauen. Ohne Erfolg, denn uns fehlen knappe 0,5cm, um die neue Grafikkarte ins Gehäuse zu bekommen. Das soll uns nicht abhalten. Mit viel Fingerspitzen-Gefühl setzen wir alle Teile außerhalb des Rechners zusammen. Die entstandene Hardware ist von außen schon ein Kunstwerk für sich: Aber sie funktioniert.

Software wird installiert.

Frankensteins-Hardware.
Nun kommt der Softwareteil. Der sollte schnell gehen, schließlich ist ja alles vorher getestet worden. Aber halt noch nicht auf diesem frisch aufgesetzten Rechner. Drei Python Versionsproblemen, korrektem BIOS Set up für die Grafikkarte, und tausende Stable Diffusion Optimierungen von drei unterschiedlichen Leuten später, läuft nach 1,5 Tagen weitere Arbeit auch die Software. Ein Kinderspiel. Hardware steht, Software läuft. Nun muss nur noch alles verstaut und die Kamera angeschlossen werden. Wäre das USB Kabel lang genug.
Nach Monaten Arbeit hängt alles jetzt an einem USB-A Verlängerungskabel. Doch niemand von uns hat eins. Da die Läden am Feiertag geschlossen haben, bleibt uns nichts anderes übrig als über die GPN zu laufen und nach einem Kabel zu fragen. USB-Verlängerungskabel? USB-A sagst du? Das sieht schlecht aus. Bis wir im Sendezentrum von Chaos West vorbeischauen und mit einem „Reichen euch 5m?“ begrüßt werden. In einem symbolischen Akt wird die Kamera dank des neuen Kabels angeschlossen und… alles funktioniert direkt. Manchmal muss man auch Glück haben.
Am Ende hat es 2 Monate Teile Zusammensuchen, 2 Tage Aufbau und Unterstützung vor Ort und einige spontate Ersatz- und Zusatzteile gebraucht, aber die Installation steht.

Eine Kamera fängt die Besuchenden ein und verändert die Ansicht auf dem LED Bildschirm.

Besuchende experimentieren mit der Installation. | Bild: Katharina Lübeck
All die Arbeit hat sich auf jeden Fall gelohnt und Museumsbesucher*innen als auch Event-Teilnehmende schauen vorbei. Im Anschluss des Events, können wir allen Beteiligten ihre Technik unbeschadet und mit einem großen Dankeschön zurückgeben. Es ist genau diese „Möglichmach-Mentalität“ und das blinde Vertrauen, dass unsere Community auszeichnet.
Aber ein weiterer Danke gehört auch der GPN Orga, die uns gut vermittelt hat, sowie dem Technik-Team vom ZKM, dass uns nicht nur eine fantastische LED Wand bereitgestellt, sondern auch einen super Anschluss Support an die bestehende Infrastruktur bereitgestellt hat. Vielen viele herzlichen Dank für die Gastfreundschaft, Unterstützung und die Leiter!
Wir sind sehr stolz eine so gute Installation wie die von Katharina zeigen zu können und fühlen uns noch mal bestätigt auch eher auf den ersten Blick untypische Medien in Masterarbeiten zu fördern. Wissenschaft hat viele Gesichter und wir freuen uns, dass unser Stipendium es möglich macht diese möglich zu machen.

2.700€ sind wieder verpackt.

Auch der Rücktransport erfolgt stilecht mit Handwagen.